Rüdenhäuser Geschichte, die der Krieg schrieb - Großzügige Geste nach über 70 Jahren

72 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges spielt sich in Rüdenhausen eine kleine aber sehr bewegende Szene ab: Ein Gemälde des, in Kennerkreisen sehr bekannten Malers Franz Huth wechselt seinen Besitzer und kehrt damit wieder an seinen Ursprungsort Rüdenhausen zurück.

Besuch Bruce, Pam, Cindy & Cleve 2017 (82)

Bruce Thompson hatte dieses Bild, eine Außenansicht des Alten Schlosses Rüdenhausen, wie es vor genau hundert Jahren ausgesehen hat, seit dieser Zeit in seinem Besitz und es schmückte sein Arbeitszimmer in seinem Wohnhaus in Camas im US-Staat Washington. Es war für ihn und seine Familie nicht nur eine schöne Darstellung eines ihm unbekannten großen Hauses im fernen Deutschland, sondern es war insbesondere auch eine Erinnerung an seinen inzwischen verstorbenen Vater, der dieses Bild mitgebracht hatte.

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Bruce und Cleve, die beiden Söhne von Leutnant Thompson, vor der im Huth-Bild dargestellten Kulisse des Alten Schlosses Rüdenhausen

Ihren Ursprung fand diese kleine Geschichte unmittelbar nach Kriegsende in Rüdenhausen. Als Angehöriger der 22. US-Infanteriedivision nahm Leutnant Ralph S. Thompson nach der Landung in der Normandie auf dem Weg nach Deutschland an zahlreichen Kämpfen, unter anderem auch an der berühmten Brücke von Remagen, teil bis er, nach dem offiziellen Kriegsende im Mai 1945, mit dem Divisionsstab Rüdenhausen erreichte und dort im Fürstlich Castell´schen Schloss einquartiert wurde. Die Fürstliche Familie selbst war für diese Zeit auf dem Jagdschloss Friedrichsberg untergekommen. Es handelte sich in diesem Falle nur um Gräfin Elisabeth zu Castell-Rüdenhausen, die mit ihrem kleinen Sohn Hesso dort lebte. Ihre Geschwister waren zu der Zeit noch nicht aus dem Krieg zurückgekehrt bzw. ihr Schicksal war noch ungewiss. Die damals allgemein herrschende Not und der Mangel an Lebensmitteln brachte es mit sich, dass Gräfin Elisabeth, ganz entgegen ihrer eigentlichen Art aber der Notwendigkeit in der Sorge um ihren Sohn folgend ins Tal ging und in ihrem Vaterhaus bei den neuen Bewohnern um etwas vitaminreiche Kost für ihren Sohn zu bitten. Sie bekam von Leutnant Thompson eine Steige Orangen und dankte, hocherfreut über diese Gabe, mit einem, in damaliger Notzeit weitaus geringwertigerem Geschenk, dem Bild von Rüdenhausen gemalt von Franz Huth. Möglicherweise war ihr auch der künstlerische oder auch materielle Wert dieses Bildes in der damaligen Situation gar nicht so bewusst gewesen. Das Bild hat damit einen neuen Eigentümer erhalten. Nicht „Raubkunst“, nicht kriegsbedingte Beute, das Tauschgeschäft begründet einen rechtlich einwandfreien Eigentumswechsel.

Mit Abzug der US-Truppen im August 1945 verließ auch das Bild Rüdenhausen und fand in den Vereinigten Staaten eine neue Heimat.

Nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1976 sowie seiner Mutter im Jahre 2011 begann Bruce Thompson sich für den Ort der Darstellung dieses Bildes zu interessieren und machte sich über Internet auf die Suche nach demselben. Er wurde fündig und nahm unmittelbar danach Kontakt mit 1. Bürgermeister Gerhard Ackermann auf um sich von diesem die Existenz dieses Schlosses bestätigen zu lassen und kündigte gleichzeitig seinen Besuch auf den Spuren seines Vaters in Rüdenhausen an. Mit seiner Frau Pamela hielt er sich dann im Mai 2014 für vier Tage in Rüdenhausen und Umgebung auf und begeisterte sich für Ort und Umgebung. Höhepunkt seines damaligen Besuches war für beide ein Empfang durch Fürst Johann-Friedrich im Schloss und man konnte sehr eindrücklich miterleben, wie dieser historische Ort eine ganz besondere Wirkung in Erinnerung an seinen Vater auf ihn ausstrahlte.

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Ein Bild kehrt in seine Heimat zurück. Die Brüder Cleve und Bruce Thompson überreichen die Außenansicht von Schloss Rüdenhausen, eine Darstellung des Malers Franz Huth aus dem Jahre 1917 (!) an Manto Graf zu Castell-Rüdenhausen

Dies war wohl auch der Augenblick, als sich die Familie Thompson entschied, dieses Gemälde muss zurück an seinen Ursprungsort. Und genau dies geschah drei Jahre später im August 2017. Symbolisch wurde selbstverständlich die Steige Orangen allerdings, wegen des eingeschränkten Fluggewichtes, in verkleinerter Form, als Gegenleistung übergeben. Das Bild befindet sich nun wieder im Besitz der Familie Castell-Rüdenhausen und die Erinnerung an diese „Kriegsgeschichte“ wird als Randnotiz der Weltgeschichte sicherlich Eingang in die fast tausendjährige, sonst so große Familiengeschichte im Fürstlich Castell´schen Archiv finden.

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Die Gäste zeigten großes Interesse insbesondere an der Castell´schen Familiengeschichte (v.l. Jesco Graf zu Dohna, Leiter des Fürstlich Castell´schen Archives in Castell, Bruce, Cindy, Cleve und Pamela Thompson)

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Der historische Trausaal im Marktbreiter Rathaus war eines der Ziele einer kleinen Tour durch die Region Main - Steigerwald

Besuch Bruce, Pam, Cindy & Cleve 2017 (203)

Ein Besuch im Fürstlich Castell´schen Domänenamt, eingeschlossen eine kleine Weinverkostung, rundet das Programm in unserer Region ab und fordert zu einem Wiederkommen auf!

An dieser Stelle nochmal besonderen Dank an die Familie Thompson, ihr Verständnis für die Kunst, ihre Großzügigkeit und vor allem für eine deutsch-amerikanische Freundschaft, der in unseren heutigen Zeiten ein noch höherer Stellenwert zuzuschreiben ist als dies mal war.



Erstellt am 16.08.2017 10:25, geändert am 11.09.2017 17:51